HEIMAT VERSUS ZUHAUSE
Meine Heimat liegt in den Bergen der nördlichen Steiermark, in Mariazell. Dort bin ich geboren und dort bin ich aufgewachsen. Mit meiner Heimat bin ich lebensenergetisch verbunden, dort fühle ich mich wohl und geborgen. Dort sind meine Wurzeln und werden es immer bleiben. Im übrigen sei an dieser Stelle erklärt, dass der Begriff “Heimat” im Volksmund – und so auch im Stoasteirisch’n – durchaus mit “Hoamat” übersetzt wird, aber mit dem Begriff “Dahoam” deckungsgleich ist. Bei beiden Begriffen geht es darum, wo man die wirkliche Erdverbundenheit spürt. In der österreichischen Hochsprache unterscheidet man diese Begriffe.
Die “Heimat” oder “Hoamat”, das wirkliche “Dahoam”, ist eine emotionale und energetische Kategorie – das “Zuhause”, oder “das z’Haus”, ist eine geografische Angabe.
Mit 14 Jahren, nach der Hauptschule, verlässt man mit dem Schulbus die Region zeitig in der Früh, um die nächstgelegene, weiterbildende Schule in 50 oder 60 km Entfernung zu besuchen und kommt spätabends wieder zurück. So beginnt eine schrittweise Entwurzelung, die viele “Oahoamische” schlussendlich in die Stadt führt – “noch Wean” oder in einen anderen städtischen Ballungsraum. So habe ich mein Zuhause in Wien gefunden – in einer Stadt, die man entweder sofort abgrundtief hasst, oder die man lieben lernen muss.
Denn so, wie man in Mariazell nicht gegen, sondern mit dem Winter leben muss, der lang und zäh auf der Region liegt, so darf man in Wien nicht gegen die Stadt leben, sondern muss mit ihr zu leben lernen. Alles andere macht krank – egal ob am Land, oder in der Stadt.
So ist man stets gefordert, die Liebe und die Ablehnung einzelner Facetten abzuwiegen.
- Einmal überwiegt die Ablehnung gegenüber den unfreundlichen Obern im Kaffeehaus, den grantigen Taxlern, den andauernden Windböen, die durch die Straßen fegen, dem ewigen „Schaunmamal“ und „Najo“, dem Schmutz und Staub an Menschen und Gebäuden.
- Ein andermal überwiegt die Wertschätzung für das unglaubliche Kulturangebot dieser Stadt, dessen Teil ich sein darf, für die Schönheit der historischen Bauten, in denen wir uns bewegen dürfen, als wäre es selbstverständlich, für die Gemütlichkeit eines Stammcafés, für die angenehme Größe dieser Stadt, für die Wohnqualität und vieles mehr.
Und wenn man lang genug da bleibt, dann sind die Taxler nicht mehr grantig (weil du Uber nutzt…), die Ober nicht mehr unfreundlich, weil sie dich kennen, und auch der Wind weht dann nicht mehr so heftig – weil man öfter im Kaffeehaus sitzt. Für spontane Liebe scheint sie mir nicht geschaffen zu sein, diese stolze Stadt, mit ihren Widersprüchen und Vielseitigkeiten. Bemühen muss man sich um sie. Aber sie dankt es denen, die ihren Wert erkennen wollen.
Die Stadt bleibt dennoch lediglich mein Zuhause, denn “Heimat” ist eine andere emotionale Kategorie. Das ist das Stück Erde, von dem man stammt und zu dem man zurückkehrt – immer und immer wieder und ganz bestimmt irgendwann für immer – und wenn sich’s in dem Leben nicht ausgeht, dann eben im nächsten.