GLAUBENSDEFINITION & GLAUBENSLEBEN
Paulus schrieb in seinem Brief an die Christen in Jerusalem: „Glaube aber ist: Feststehen in dem, was man erhofft – Überzeugtsein von Dingen, die man nicht sieht.“ (Heb. 11,1). Was bedeutet das? An einem praktischen Beispiel will ich versuchen, das Wesen des Glaubens verständlich zu machen:
- Menschen glauben an ihre neue Eigentumswohnung. Es gibt sie nur auf Plänen und dort wo sie entstehen soll, ist ein großes Loch, in dem Arbeiter ein Fundament betonieren. Trotzdem planen sie ihre Einrichtung, gehen zu einem Tischler und holen Kostenvoranschläge ein. Sie zeigen dadurch, dass sie fest davon ausgehen, es würde genauso kommen, wie sie denken. Sie sind davon überzeugt, obwohl man die Wohnung noch nicht sieht – sie glauben.
Das mag als Illustration tauglich sein, was mit „Glauben“ gemeint ist: Durch bewusstes Wahrnehmen im täglichen Leben die Gewissheit zu spüren, dass nicht alles rund um uns einfach Zufall sein kann, dass nicht alles das Produkt von Willkür sein kann, sondern von unglaublicher Schönheit und Ordnung zeugt. So entsteht die innere Sicherheit, dass wir uns nicht selbst überlassen sind, nicht hoffnungslos dem Zufall ausgeliefert. Im Gegenteil: Wir können unser und das Leben unserer Mitmenschen bereichern und gestalten, im Bewusstsein, dabei von Werten geleitet zu werden, die eine übergeordnete Instanz für uns definiert und uns eingepflanzt hat. Ich weiß: Dieser Absatz klingt kompliziert, aber er drückt genau das aus, worum es geht – auch wenn man ihn vielleicht ein zweites Mal lesen muss…
Um die Wertschätzung für das Geschenk des Glaubens am Leben zu erhalten, bedarf es der aktiven Auseinandersetzung mit den uns grundlegend wichtigen Werten und dem Bewusstsein dafür, was das für unser Leben ganz praktisch bedeutet. Dadurch werden wir in die Lage versetzt, bewusst zu erleben, zu gestalten und uns selbst zu formen. All das hat nur wenig mit einer Institution zu tun, die erst jetzt ins Spiel kommt.
Der institutionelle Rahmen einer Gemeinschaft, einer „Kirche“ im Sinne der Wortherkunft (aus dem Griechischen “ekklesia” = “Gemeinschaft” und “kyriakon”, was “zum Herrn gehörend” bedeutet), und der Definition des zweiten Vatikanischen Konzils (“Kirche” ist die gesamte Gemeinschaft der Gläubigen), schafft für uns Reflexionsräume – zeitlich und auch geografisch/baulich. Dadurch entstehen Möglichkeiten und Zeitfenster, die es durch den sogenannten Alltag schlichtweg nicht gibt. Wenn daher Menschen sagen, sie brauchen für ihren Glauben keine “Kirche”, dann mag das zwar emotional stimmen, aber bei genauer Nachfrage stellt man fest, dass sich die Wenigsten konsequent Räume für Stille, für Innehalten, für Nachdenken und für Vorausdenken schaffen – für all das, was vielen unter dem Begriff “Meditation” nahbarer erscheint, als es der theologische Begriff “Gebet” sein mag.